Lippenlesen bezeichnet das Erfassen des Gesprochenen anhand der visuellen Wahrnehmung der Lippenbewegungen des Sprechers. In der Fachsprache wird es zunehmend als „Absehen vom Mund“ beschrieben. Der Begriff des „Lesens“ verfälscht insofern die Realität, als nur ca. 15% der Laute der deutschen Sprache eindeutig am Mundbild erkennbar sind. Typische Beispiele sind hier „Mutter“ und „Butter“ – und selbst „Bruder“ und „Montag“ können nur schwer von Mutter und Butter unterschieden werden.
Menschen mit Hörbehinderung sind ihr Leben lang in der Kommunikation mit Hörenden auf das Absehen vom Mund angewiesen. Die o.g. Schwierigkeiten bei der Laut- und Worterkennung führen für sie zu einer extrem hohen Anforderung an Konzentration und Übertragungsleistung. Die wenigen Bruchstücke, die eindeutig wahrgenommen werden können, müssen zu Sinnzusammenhängen zusammengeführt werden. Ist der Themeninhalt bekannt, so ist der Erfolg bzw. die „Trefferquote“ prozentual höher, jedoch immer noch weit unter 50%.